
Gute Filmklassiker sind zeitlos – Die Truman Show und Reality TV
Filmklassiker sind so eine Sache. Sobald man das Wort hört, fällt einem Casablanca ein oder Psycho oder (wenn man einen Teil seines Lebens mit einem Film-Studium verbracht hat) Citizen Kane. Das Wort Klassiker ist eigentlich ein Synonym für alt und angestaubt.
Dabei haben gerade die späten 90er unglaublich viele großartige Filmklassiker hervorgebracht. Gut, vielleicht bin ich voreingenommen. Das war die Zeit, als ich plötzlich festgestellt habe, dass Film etwas sind mit dem ich Stunden verbringen könnte. Aber schauen wir nur auf die Jahre ’98 und ’99: Big Lebowski, Fight Club, Matrix, Sixth Sense und Die Truman Show.
Nostalgie macht aus vielen Filmen rückblickend Klassiker
Mein Partner und ich waren auf der Suche nach einem Film für den Sonntagabend. Und beim scrollen stolperten wir über die Truman Show. Und er gab zu: „Den Film habe ich nie gesehen.“ Bei mir was es Jahre über Jahre her und ich war neugierig, ob der Film, der in meiner Erinnerung groß und wichtig und ziemlich perfekt war, dem Realitätscheck stand halten würde.
Oft vergisst man, wie langsam Filme noch vor ein paar Jahren waren. Heute flimmert der neueste Marvel oder Fast-and-Furious-style-Film mit so vielen Cuts und dicht gepackten Szenen an einem vor, dass man erst nach dem Film Luft holen kann. Im Vergleich ist die Truman Show gemächlich unterwegs und baut die Welt in der sie spielt auf. Zugegeben: Der Kleidungsstil datiert das Ganze, alles wirkt fast ein bisschen altbacken. Aber im Vergleich zu vielen anderen Filmen der Zeit wirkt alles andere (insbesondere die Technologien rund um die Reality Show) erschreckend zeitgemäß.
Jim Carrey in Bestform zwischen Selbstzweifel und Selbstfindung
Zu sagen, dass Jim Carrey ein Comedy-Schauspieler ist, macht ihn wesentlich kleiner als er ist. Vor allem im Jahr 2020, wenn er zuletzt tatsächlich eher als Maler und politischer Kommentator von sich hat hören lassen. Aber die Truman Show kam nach Ace Ventura, Der Dummschwätzer und Cable Guy und ist zusammen mit Eternal Sunshine of the Spotless Mind mit Abstand einer meiner liebsten Filme.
Auf einem Spektrum von Ace Ventura bis Man on the Moon, schafft Jim Carrey selten den Balance-Akt zwischen Gesichts-Humor und verletzlicher Ernsthaftigkeit. Aber in der Truman Show macht er beides und beides richtig gut. Truman ist ein bisschen naiv, aber er hat ein gutes Herz und ich habe selten jemanden kennengelernt, der sich nicht mit Trumans Wunsch die Welt da draußen sehen zu wollen, identifizieren konnte.
Reality TV, bevor es Reality TV gab
Seahaven, die (fiktionale) kleine Stadt in der der Film spielt ist eine perfekte Utopie. Die Truman Show ist ein dystopischer Sci-Fi-Film über die Überwachung und die Vorstellung einer künstlichen, perfekten Realität. Heute ist Reality TV überall und grundnormal. Auch wenn es uns manchmal gut tun würde, die Formate vielleicht zu hinterfragen. Und trotzdem ist die Truman Show heute noch aktueller denn je, weil die Fragen, die der Film stellt, dieselben sind: Wie weit darf Fernsehen gehen? Bestimme ich noch mein eigenes Schicksal? Was mache ich aus meinem Leben?
Was mir dabei gar nicht so bewusst war, weil der nostalgische Blick alles zusammen zieht: Die Truman Show war im Kino, bevor Big Brother überhaupt im Fernsehen war. Es wurden Drohnen und Mini-Kameras als selbstverständlicher Teil der Welt gezeigt, lang bevor sie technisch möglich waren. Und das Product Placement (Laura Linney ist gleichzeitig super creepy und großartig in dieser Rolle) welches Teil der Filmerzählung ist, unterscheidet sich nicht sehr von dem, was heute Gang und Gäbe ist.
Was macht einen Filmklassiker aus?
Ich will mir nicht anmaßen zu behaupten, was die de facto Definition von einem Filmklassiker ist. Ich kann hier nur von mir sprechen. Aber für mich ist ein Film wie die Truman Show ein Klassiker, weil er auch ganze 22 Jahre nachdem er erschienen ist, immer noch aktuell und zeitgemäß wirkt. Die Charaktere nehmen dich mit, aber die Message des Filmes ist letzten Endes das, was dich beschäftigt.
Es kommt wirklich selten vor, dass ich mich sofort erinnere, wie ein Film ausgeht, den ich lang nicht mehr gesehen habe. Aber die Endsequenz der Truman Show ist immer noch in den Top 10-Schlusszenen-aller-Zeiten. Sein Boot dockt an das „Ende der Welt“ an, er findet die Ausgangstür und Showrunner Christof (Ed Harris in der maximalst typischen Ed Harris-Rolle) versucht ihn zum Bleiben zu überreden.
Truman, der den ganzen Film über weiß, was er will aber damit hadert den Gedanken Taten folgen zu lassen, nimmt zum ersten Mal in seinem Leben sein Schicksal in die Hand. Statt fremder Fernsteuerung übernimmt er Autonomie, verbeugt sich und tritt ins Ungewisse. Was für ein Ende. Manchmal wünsche ich mir, dass der Film genau da aufhört, Fade to Black, Sprachlosigkeit. Ein echter Filmklassiker eben.
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