
«Das Glück der großen Dinge» – Alltag der kleinen Dinge
Ein grün-blauer Plastikdrachen flattert im Wind. Der Himmel über New York City ist strahlend blau. Der Drachen ist in den Kabeln von einem Telefonmast verstrickt, die bunten Bänder seines Schweifs flattern im Wind. Er kommt nicht los.
Es sind diese kleinen Details die den Alltag der jungen Maisie bestimmen. Das Mädchen ist das einzige Kind ihrer Rockstar-Mom und ihres Kunsthändler-Dads. Ihre Eltern sind mitten in einer Scheidung und auf dem Sprung sich neu zu verheiraten. Maisies Mutter heiratet einen Barkeeper, ihr Vater das Kindermädchen. Maisie bleibt sich selbst überlassen.
Soweit der Plot von Das Glück der großen Dinge. Titel und Inhalt klingen eher nach vorabendlicher Rosamunde Pilcher Schnulze als nach dem was der Film wirklich ist: Das ruhige Porträt eines jungen Mädchens, das schnell lernt seine Umwelt besser zu verstehen als die Erwachsenen um sie herum. Das moderne Bild einer schwierigen Patchwork-Familie. Das die Vorlage von Henry James What Maisie Knew (was übrigens auch der amerikanische Titel des Films ist) aus dem Jahr 1897 ist, merkt man dem Film nicht an. Das zeigt wie zeitlos das Thema im Grunde ist.
Filme in diesem Genre haben es selten leicht. Meist führt ein Kinder-Protagonist dazu, dass die Handlung allzu saccharin wird und sich in Stereotypen verliert (bestes Beispiel: Der Klangs des Herzens) oder das Kind unnatürlich erwachsen agiert. Das Glück der großen Dinge ist anders, denn seine Heldin ist anders. Die junge Maisie (hervorragend gespielt von Newcomerin Onata Aprile) spricht wenig, doch sie nimmt ihre Umwelt wesentlich aufmerksamer wahr als die Menschen die eigentlich auf sie Acht geben sollten. Sie sieht den gefangenen Drachen im Telefonmast und durchschaut schnell die wahren Motive ihrer Eltern und deren neuer Lebenspartner.
So individuell und frisch wie Maisie wirkt, so absichtlich klischeebehaftet sind die vier Erwachsenen um sie herum. Für ihre Mutter ist Maisie wenig mehr als eine reine Quelle der Aufmerksamkeit und ihr Vater scheint sich nur gelegentlich daran zu erinnern, dass er eine Tochter hat. Es ist dem Talent von Julianne Moore und Steve Coogan zu verdanken, dass beide Charaktere nicht alle Vorurteile von Versager-Eltern erfüllen. Und auch wenn der Handlungsverlauf selbst wenig überrascht (soviel sei gesagt: die Beziehungsgeflechte verändern sich in eine offensichtliche Richtung), so gleichen die unaufgeregte Bildsprache und der klare Erzählstil dies mehr als aus.
Der Film ist fast wie eine Aneinanderreihung kleiner Vignetten, Momentaufnahmen die Maisies Alltag nachzeichnen. Die Tatsache das der Film ausschließlich aus ihrer Perspektive gezeigt wird, drängt die Probleme der Erwachsenen in den Hintergrund und zeigt die große Stadt und ihre Probleme aus Maisies Sicht. Sie wird in verschiedene Richtungen gezogen und versucht immer wieder sich neue Familienkonstellationen aufzubauen, die von den Erwachsenen wieder zerstört werden. Dabei sind es besonders die Szenen in denen Maisie alleine in Hotellobbys, Restaurant-Bars und Taxis sitzt, die still, aber ausdrucksstark, zeigen wie unbeständig ihr Leben ist. Das man dabei eher bewundert wie stark und klar dieses kleine Mädchen sein Leben lebt, anstatt sich weinend ihrer Situation zu ergeben, spricht für Das Glück der großen Dinge.
Erst gegen Ende des Films scheint sich Maisies Leben endlich wieder in eine geordnete Bahn zu bewegen. Und es ist sicherlich kein Zufall, dass sie dabei am Strand für einen langen Moment Menschen beobachtet die Drachen fliegen lassen. Fernab von New Yorker Telefonmasten.
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