#rezension

«The Big Short» – Collateralized Debt Obligations auf der großen Leinwand

Hollywood wird gern nachgesagt, dass es sich mit Vorliebe auf Explosionen und Sequels konzentriert. Das der moderne Film aber durchaus in der Lage ist echte und komplexe Sachverhalte auf die große Leinwand zu bringen, sieht man zur Zeit eindrucksvoll am Beispiel The Big Short.

Der für mehrere Oscars nominierte Film (u.a. in der Kategorie „Bester Film“) beleuchtet die Weltwirtschaftskrise und den Zusammenbruch der Wall Street im Jahr 2007/2008. Es geht um Investitionen, Hedgefonds, den amerikanischen Traum und eine Handvoll Banker, die auf das Platzen der Immobilienblase wetteten um damit das große Geld zu machen.

Ähnlich wie schon Margin Call aus dem Jahr 2011, setzt The Big Short auf einen großen Ensemble-Cast mit bekannten Namen wie Steve Carrell (FoxcatcherAnchorman), Brad Pitt (Fight ClubWorld War Z), Ryan Gosling (DriveThe Place Beyond The Pines) und Christian Bale (Batman-Trilogie, American Hustle). Doch wo Margin Call den Börsencrash des Jahres 2007/2008 als sich langsam entwickelndes Drama inszeniert, geht The Big Short einen anderen Weg.

Fast wirkt der Film wie eine Dokumentation, die mit einem YouTube-Video gekreuzt wurde. Regisseur Adam McKay (AnchormanStiefbrüder), der zuvor hauptsächlich mit Will Farrell-Klamauk aufgefallen ist, durchzieht seine Handlung immer wieder mit Clipmontagen, die das Vergehen der Zeit dokumentieren: Der erste Apple iMac, Facebook, die Entwicklung des Bankers zum großen Pokerspieler. Dabei bleibt The Big Short immer auf dem schmalen Grad zwischen dem menschlichen Drama auf das sich Margin Call konzentrierte und dem abgedrehten Tatsachenbericht, den The Wolf of Wall Street 2013 perfektioniert hat.

Der Film, der auf einer Vorlage von Moneyball-Autor Michael Lewis basiert, weiß ganz genau wie absurd diese Geschichte ist, die tatsächlich so passiert ist und spielt diese Karte voll aus. So erzählen in kurzen Sequenzen zum Beispiel Starkoch Anthony Bourdain und Popsternchen Selena Gomez wichtige Finanzbegriffe, die im Film eine Rolle spielen. Das man trotzdem nur einen Bruchteil der dargestellten Finanzwelt wirklich versteht, geschweige denn wie die Krise zustande kommen konnte, zeigt anschaulich wie fragil die Welt der Wall Street wirklich ist.

Ein wenig erinnert McKays Stil an eine Michael Moore Dokumentation, nur das sie noch ein klein wenig ironischer ist, ein bisschen bissiger und eine ganze Ecke erschreckender. Nach und nach stellt man fest wie wenig diese Finanzwelt zu verstehen ist und dann im großen Finale des Films, dass Banker mit viel größerem Einfluss ähnlich ahnungslos waren und sind.

Ein Grund, warum der Film nie ins Absurde abrutscht, sind die hervorragend besetzen Rollen. Steve Carrell und Christian Bale zeigen einmal mehr, wie viel Können in Ihnen steckt, wenn man sie nur aus ihren Rollen in den Bereichen Komödie und Action-Blockbuster herauslässt. Ryan Gosling als Erzähler-Figur und skrupelloser Banker dient als Ankerpunkt des Films und hält die lose verknüpften Handlungsstränge zusammen. Aber auch in den Nebenrollen kann der Film glänzen: Von Serienstars wie Karen Gillan (Doctor Who) und Max Greensfield (New Girl) bis hin zu Marisa Tomei (The Wrestler) sitzt jede Rolle und verleiht dem Film eine Unmittelbarkeit, die selten mit Hilfe eines vermeintlichen Star-Ensembles erreicht werden kann. Die Vermischung von Schauspielern, die echte Banker darstellen und von Stars, die sich selbst spielen, verwischt die Grenze zwischen Film und Realität und trägt zum Hauch Unwirklichkeit bei, der The Big Short viel von seiner dramatischen Spannung verleiht.

Nach gut zwei Stunden Film hat man zwar nicht das Gefühl mehr über den Börsencrash zu wissen als davor, aber dafür wurde man mindestens genauso gut unterhalten wie zum Beispiel von einem Blockbuster voller Explosionen oder einem Superhelden-Sequel.

Eine Antwort schreiben