#rezension

«Spectre» – Wodka Martini statt viel Handlung

Zu blond, zu kantig, zu wenig Gentleman – Das war die einhellige Meinung, als 2005 bekannt wurde, dass der Brite Daniel Craig Großbritanniens berühmtester Geheimagent werden sollte. Er war nicht stylish wie Pierce Brosnan, cool wie Sean Connery schon gar nicht und überhaupt einfach nicht James Bond genug.

Neun Jahre später fällt es schwer sich an diese Kritik zu erinnern. Daniel Craig ist der James Bond seiner Zeit. Wo Pierce Brosnan in den 90ern noch aalglatt ein schickes Auto nach dem anderen fuhr, ist Daniel Craig emotional, unaufgeräumt, weit vom klassischen Bond-Ideal entfernt und trotzdem immer noch, ja, sagen wir es wie’s ist: saucool.

Im mittlerweile vierten Akt der Daniel Craig-Ära ist James Bond näher am Ist-Zustand seiner Vorgänger als jemals zuvor. Wo er im ersten Teil auf seine Wodka Martini-Präferenz noch kühl antwortete: „Sehe ich aus wie jemand, den das interessiert?“ ist er im aktuellen Teil Spectre mehr in seinem Element als je zuvor, doch die Vergangenheit lässt ihn (natürlich) nicht los. Wir erinnern uns: Im Verlauf von Casino Royale findet er erst die Liebe seines Lebens, um sie dann direkt wieder zu verlieren. Ein Quantum Trost ist der daraus resultierende Racheakt und der Nachfolger Skyfall nimmt Bond, bei einem Ausflug in seine Vergangenheit, direkt die nächste Bezugsperson.

Soweit, so gut. Spectre setzt unmittelbar nach Skyfall ein und hängt die Messlatte mit einer großartigen Einstiegssequenz schon einmal enorm hoch. Der folgende Plot ist dagegen allerdings mehr als flüchtig. Bond kommt, Dank eines Hinweises von der verstorbenen M, einer Terrororganisation auf die Spur, die, wie sollte es auch anders sein, durch die totale Überwachung die Weltherrschaft an sich reißen will. Hinzu kommt, dass Spectres Anführer Ernst Stavro Blofeld (Christoph Walz) einen persönlichen Rachefeldzug gegen Bond führt und unter anderem für den Tod von Vesper Lynd und M verantwortlich ist. Der Rest ist Classic Bond: Entzug der Lizenz zum Töten, Ermittlung auf eigene Faust, Schnitzeljagd mit dem Bondgirl, viele Explosionen, großer Showdown, etc.

Die größte Schwäche des neuen Bond-Films, neben den ausufernden 148 Minuten Spielfilmlänge, ist sein Bösewicht. Christoph Walz spielt wie immer die großartig Mischung aus freundlichem Therapeut und fiesem Sadist, nur will das nicht so recht in die aktuelle Inkarnation der Bond-Welt passen. Der Film missachtet dabei die Kardinalsregel des Geschichtenerzählens: Show, don’t tell! Durch jede Menge Anspielungen und viel Namedropping wird dem Zuschauer immer wieder vorgeführt, dass Blofeld schon seit Casino Royal die Fäden im Hintergrund zieht und alle Bösewichter im Grunde nur seine Handlanger waren. Da wir aber nicht im Marvel-Universum sind, wo solche Hinweise tatsächlich in vorherigen Filmen zu entdecken sind, wirkt das alles furchtbar konstruiert und lässt den Zuschauer emotional weitestgehend kalt.

Hinzu kommt, dass Christoph Walz mit seinen adretten Hausschlappen und seinen Mannerismen einfach nicht Bond-Bösewicht genug ist. Hätte man zum Beispiel Mads Mikkelsens Le Chiffre als Anführer von Spectre eingesetzt, dann wäre die unmittelbare Bedrohung, sowohl von Bond als auch der Welt, wesentlich packender für den Zuschauer ausgefallen.

So bleibt der neue Bond leider in weiten Teilen hinter den hohen Erwartungen von Skyfall zurück. Was nicht heißt, dass er nicht auch jede Menge Spaß macht. Von der eher mauen Handlung abgesehen, kommen Bond-Fans trotzdem auf ihre Kosten. Daniel Craig gibt den Bond cool wie nie und die bestens besetzen, wenn auch sträflich vernachlässigten, Nebenrollen können sich sehen lassen. Ralph Fiennes als M, Ben Whishaw als Q und Naomie Harris als Moneypenny zeigen einmal mehr, dass sie perfekt besetzt sind. Monica Belucci, Léa Seydoux und Andrew Scott runden das bestehende Ensemble ab und holen alles aus ihren Rollen heraus. Auch über den neuen Titelsong „Writings on the Wall“ ist im Vorfeld viel gesagt worden. Als Untermalung der Titelsequenz und im Gesamtbild von Spectre erfüllt er jedoch in jedem Falle seine Aufgabe. Nach dem Oscar-Gewinner „Skyfall“ ist das auch völlig ausreichend.

Am Ende bleibt die Frage, was einen guten Bond-Film ausmacht. Der Hauptdarsteller? Die Glaubwürdigkeit der Handlung? Oder der Einsatz der klassischen Versatzstücke Martini, Aston Martin, explodierende Armbanduhren und ein perfekt sitzender Anzug? Schwer zu sagen. Klar ist in jedem Fall, dass ein Bondfilm keine ausgefeilte Handlung braucht um knapp 2 1/2 Stunden lang richtig Spaß zu machen. Nur ein paar Explosionen, atemberaubende Locations, eine Prise Humor und natürlich Daniel Craig. Den der ist aus dem Bond-Universum längst nicht mehr wegzudenken.

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