
Tenet und der Sommerblockbuster – Don’t believe the Hype
Es ist ein Einhorn auf das alle Filmverleiher und Kinobesitzer jedes Jahr hoffen: Der große Sommerblockbuster, der nicht nur den Hype erfüllt, sondern ihn auch noch übertrifft. Mittlerweile ist die Hype-Maschinerie so feingetuned, dass jeder Teaser, jeder vermeintliche Set-Foto-Leak, jede mysteriöse Trailer-Premiere nur ein Ziel hat: der einzige wahre Film des Sommers zu sein. Im Jahr 2020 ist der einzige Kandidate hierfür Tenet, der neueste Film von Christopher Nolan.
Zugegeben, die Hype-Maschinerie ist schon unter normalen Bedingungen ein Spiel mit viel zu vielen Variablen. Doch im Corona-Sommer sollte der Sommerblockbuster nicht nur dem Hype gerecht werden und Millionen einspielen, nein, er sollte quasi eigenhändig die Branche und Zukunft der Filmindustrie direkt mitretten.
Tenet: Der Sommerblockbuster mit irrational hohen Erwartungen
Doch ist Tenet dieser Film? Fairerweise muss man sagen, dass die Erwartungshaltung an den Film nicht erst seit Corona so groß war. Nolan ist ein Haushalts-Name geworden, ein Synonym für kluge Sommerblockbuster, die viel einspielen und lange Laufzeiten haben. Ein Garant für verlässlich gute Filme mit finanziellen Benefits on top.
Alle Elemente waren da: Die Mythenbildung um einen großen Regisseur-Auteur, der seit Jahren am Drehbuch arbeitet, der Puzzlestücke der Story in Raum und Zeit verschiebt, der Cast mit John David Washington und Robert Pattinson, der eher Dunkirk als Inception Star-Power hat.
Und das war nur die Vorarbeit: Die ersten Teaser waren bereits im Sommer 2019 in den Kinos. Mysteriös und visuell immer nah an Interstellar und Inception dran, die Marke Nolan immer im Vordergrund. Und es kommt selten vor, aber in diesem Fall ist der Regisseur-Hype sicher eine Ecke gerechtfertigter, als beispielsweise bei M. Nigh Shyamalans Follow-ups zu The Sixth Sense oder so ziemlich allem was Tim Burton seit Sweeney Todd gemacht hat.
Und dann kam die Corona-Pandemie
Seit März zeigt die Corona-Pandemie, dass das Filmbusiness (ewig tot gesagt) doch mit seinem physischen Mitstreiter, den Kinos, klein und groß, weiterhin eng verbunden ist. Sicher leiden und litten nur wenige Branchen so sehr, wie die Kinobranche. Das liegt auch daran, dass das System Hollywood so fokussiert auf den amerikanischen Markt als Start- und Wende-Punkt eines Filmrelease ist, dass alles ins Wanken kommt, wenn der amerikanische Markt plötzlich wegbricht.
In dieser unsicheren Zeit in der Disney mit der VOD-Veröffentlichung von Mulan zaghaft auf Streaming setzen wird, avanciert Tenet plötzlich vom gehypten Sommerblockbuster zum Retter einer eh schon gebeutelten Filmbranche. Das Startdatum wird wiederholt geschoben und jedes Mal wird wieder dieselbe These aufgestellt: „Wenn Tenet gut anläuft, dann haben wir nichts zu befürchten und alles wird wieder gut.“
Hype ist überbewertet
Doch dann kommt es natürlich anders, Tenet startet in Europa und dem Rest der Welt, wo die Pandemie mehr Kino und weniger Angst erlaubt. Das Einspielergebnis ist für das Jahr 2020 mit $284.000 weltweit absolut in Ordnung, aber liegt natürlich weit hinter den ursprünglichen Erwartungen zurück.
Doch was ist Tenet eigentlich abseits der Corona-Hysterie der sterbenden Filmbranche für ein Film? Ein Wort: Solide. Christopher Nolan macht immer noch hervorragende Filme bei denen alles stimmt. Spannende Idee, unfassbar gute Cinematographie, genug Explosionen, um alle bei Laune zu halten und einen hervorragenden Cast an Schauspielern. Robert Pattinson hat endlich seine Film-Nische gefunden und glänzt noch heller als John David Washington.
Aber das war’s dann auch. Tenet ist kein Film, den ich ein zweites Mal sehen muss. Ich wollte zwar nicht mein Geld zurück, aber der Film bleibt weit hinter dem Hype zurück. Mal abgesehen davon, dass das Sound Mixing es fast unmöglich macht den Dialog zu verstehen, nimmt die Story sich selbst viel zu ernst. Die Charaktere werden erst gegen Mitte des Films richtig warm und dreidimensional und seien wir ehrlich, das ganze Zeitreise-Zeug hat man schon mal irgendwie besser aufbereitet gesehen. Und das sogar bei Nolan selbst.
Lasst den Sommerblockbuster das sein, was er ist: Gutes Popcornkino
Eigentlich ist der ganze Hype um den besten Sommer-Blockbuster aller Zeiten nämlich gar nicht nötig. Ein guter Film sollte genau das sein: gut, mit einen überzeugenden Trailer und der passende Marketing-Narrative (zum Beispiel Robert Pattinson, der den Plot selbst nicht verstanden hat, obwohl er mitspielt). Zusätzlicher Hype schadet dem Erfolg nur, denn kein Film kann so einer Erwartungshaltung gerecht werden.
Tatsächlich musste ich ein Weilchen überlegen, bis mir der letzte Film einfiel, der genauso groß und gehyped war und dann dem ganzen Rummel überraschend doch gerecht wurde: Inception. Es ist aber völlig in Ordnung, wenn Christopher Nolan nicht mit jedem Film das Kino revolutioniert. Ein guter Sommer-Blockbuster reicht auch.
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