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Bloodshot – Trash ist nicht gleich Trash

Das Schöne am Popcorn-Kino ist, dass selbst vermeintliche Konsens-Filme alles andere als 100 % beliebt sind. Ich hab ja immer gedacht: Harry Potter? Da kann eigentlich wirklich niemand was gegen haben. Stimmt aber nicht. Und umgekehrt läuft es auch mit Trash-Kino. Schlecht ist nicht gleich schlecht. Das Motto „So bad, it’s good!“ kann man nämlich auch nich universal anwenden.

Ich fühle mich gut unterhalten von fast allen Jason Statham-Filmen (ja, wirklich). Aber dafür ist für mich jeder Kevin James-Film eine Tortur und nicht trashiges Freizeitvergnügen, wie für andere. Und es gibt einfach Filme die schlecht sind. Nicht „Ach-kann-man-sich-irgendwie-ansehen“-schlecht, sondern „Haben-da-alle-bei-der-Produktion-geschlafen?“-schlecht. Filme wie der Keanu Reeves, äh, Thriller/Drama Replicas. Davon habe ich trotz wirklich weltgrößter Liebe für Keanu nicht mal eine halbe Stunde geschafft.

Gutes Trash-Kino ist Zufall

Entsprechend war auch meine Erwartungshaltung an Bloodshot. Es war Sonntag abend, wir wollten was schauen, was wir beide noch nicht gesehen hatten. Gar nicht so einfach mit mir. Popcorn-Kino der letzten 10 Jahre? Hab ich fast komplett gesehen. Ehrlich. Und alle Corona-bedingten straight-to-VOD-Titel wollte ich sehen, mein Freund nicht. Bis wir bei Bloodshot als Option hängen blieben.

Ein Superhelden-Film mit Vin Diesel. Basierend auf einer Comicbuch-Reihe. Ein bisschen wie ein lauwarmer Aufguss aus dem Plot von Edge of Tomorrow, Marvel-Resten, einem Fast & Furious-Film und dem Humor-Level von RocknRolla. Schon wenn ich es so aufschreibe, sollte es einfach nicht funktionieren. Dementsprechend war auch die Erwartungshaltung und meine Resignation 9,74 € mehr oder weniger in den (Jeff Bezos-gesteuerten)-Sand gesetzt zu haben.

Gute Unterhaltung muss nicht zwingend gute Filmkunst sein

Ich will nicht behaupte, dass Bloodshot ein guter Film ist. Dafür ist Vin Diesel einfach zu mittelmäßig, der Plot läuft am Anfang im Leerlauf und skippt dann ungefähr 5 Plot-/Character-Building-Schritte, um wirklich glaubhaft und in sich logisch zu sein. Aber sobald der Film anfängt sich nicht mehr ganz so ernst zu nehmen und die Charaktere Luft haben einfach zu existieren, fängt es an gut zu werden.

Gut in diesem Kontext ist natürlich relativ und individuell. Für mich ist gutes Kopf aus-Kino, wenn Sachen explodieren, ich lachen kann und es einen (größtenteils) geordneten Spannungsbogen gibt. All das findet sich erstaunlicherweise in Bloodshot.

Der Film beginnt als klassische, amerikanische Soldaten-Propaganda mit Vin Diesel als dem archtypischsten aller Archetypen. Aus dieser Rolle bricht er auch nie wirklich aus. Aber die Darsteller um ihn herum helfen diese schwerfällige Schauspielleistung abzuschwächen. Denn sobald der Plot nicht mehr nur Soldaten-Revenge-Film Schema F ist und sich in seinem Und täglich grüßt das Murmeltier-Mechanismus eingroovt, ist er auf einmal echt unterhaltsam.

Gute Trash-Unterhaltung lebt von guten Schauspielern

Es klingt vielleicht paradox, aber gut Trash-Filme leben von guten Schauspielern, die auf den ersten Blick eigentlich nichts in dem Film verloren haben. In Bloodshot sind das Lamoren Morris (bekannt aus New Girl), Guy Pearce (der sich so umfassend auf den absurden Plot einlässt, dass er schon fast das Highlight wird) und Toby Kebbel (der in einer kleinen Rolle RocknRolla-Reloaded zelebriert).

Immer wenn der Film nicht die althergebrachten Mustern bedient und die „Mann rächt seine Frau“-Story eine abrupte Kurve in die andere Richtung nimmt, verdient sich Bloodshot sein Label „guter Trash“. Klar, wirklich neu ist hier nichts. Von der Superhelden Origin-Story, die hier wirklich spektakulär kurz abgehandelt wird, über die vermeintlich tragische Geschichte bis hin zur Super-Tech-Waffe, die alles zerstört, wird hier nirgendwo das Rad neu erfunden. Zumal sich die Autoren wirklich ausgiebig bei Marvel & Co bedient haben.

Aber genau das macht ja auch den Reiz von guter Trash-Unterhaltung aus: Altbekanntes gibt einem ein Gefühl für Sicherheit. Du weißt, was dich erwartet und wirst trotzdem unterhalten. Und nicht mehr und nicht weniger leistet Bloodshot. Wenn einen allerdings schon der Anblick von Vin Diesel in seltsam sitzenden Baggy Pants triggert, sollte man diesen Trash-Kino-Kandidaten wahrscheinlich eher auslassen.

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